Wie stehen Sie generell zum
neuen Pflegeberufegesetz?
Ich bin absoluter Unterstützer der
generalistischen Ausbildung, auch wenn
das Pflegeberufegesetz in der aktuellen
Form nicht meinen Vorstellungen und
meinem Anspruch an eine gelingende
Pflegereform entspricht. Es gibt in keinem
anderen Land eine Differenzierung
zwischen Kinder-, Kranken – und Altenpflege.
Zuerst werden alle Pflegenden
generalistisch grundausgebildet. Eine
Differenzierung in spezifischen Fachbereichen
erfolgt später. Dies erschwert
natürlich die Anerkennung der deutschen
Pflegeausbildung im Ausland.
Deutschland hat sich in diesem Punkt
endlich einer zentralen Forderung
der EU ansatzweise angenähert, die
Generalistik teilweise einzuführen. Das
Ende eines zwölfjährigen Prozesses der
Vagheit. Ich denke, dass wir die Qualität
der Pflegeausbildung trotzdem enorm
verbessern.
Sehen Sie einen Weg heraus aus
dem Pflegenotstand?
Ich glaube, dass ein ganz wesentlicher
Aspekt die fehlende Selbstorganisation
des Pflegeberufes ist. Es gibt keine
gesamtdeutsche Pflegekammer, die die
Pflege öffentlich vertritt und über die
gesetzlichen Rahmenbedingungen des
eigenen Berufes entscheidet. Es wäre
von absolut elementarer Bedeutung
für die Professionalisierung des Berufsstandes.
Es ist absolut an der Zeit, dass
die Pflege auch über ihren eigenen
Beruf bestimmt und großen politischen
Einfluss nimmt. Eine Kammer muss her!
Es ist doch absurd, dass keiner weiß,
wieviele Menschen wirklich in der Pflege
arbeiten und diese große Berufsgruppe
schon immer fremdbestimmt wurde.
Wir haben eine Ausstiegsquote von sieben
Jahren: nach dieser Zeit wechseln
viele Pflegende aus dem Beruf weg. So
kann es nicht weitergehen!
Gehen wir ein wenig weg von der
großen Politik. Was begeistert Sie
an der Pflege?
Ich wurde sozusagen in den Pflegeberuf
hineingeboren, denn viele meiner
Angehörigen arbeiten bereits in dem
Beruf. So entschied ich mich dafür,
die pflegepädagogische Richtung einzuschlagen.
Angefangen habe ich mit
einer Ausbildung zur Krankenschwester
mit der Idee, nach der Ausbildung ein
Studium aufzunehmen. Aber ich habe
den Beruf unheimlich lieb gewonnen
und dann zehn Jahre auf einer
Intensivstation gearbeitet. Eine Zeit,
in der ich viele Erfahrungen sammeln
konnte. Ich bin ein Mensch, der viel
Abwechslung im Beruf benötigt und
sich ständig neuen Herausforderungen
stellen möchte. Dies habe ich im Pflegeberuf
für mich gefunden. Allerdings
kam dann der Zeitpunkt, an dem ich
mich an meinen ursprünglichen Plan
mit der Pflegepädagogik erinnerte.
Ich habe dann glücklicherweise die
Möglichkeit erhalten, berufsbegleitend
zu studieren, d.h. ich habe in einer
Krankenpflegeschule gearbeitet und
eine Woche im Monat ein Studium der
Pflegepädagogik und – wissenschaft an
der Martin-Luther-Universität in Halle/
Saale absolviert. 2011 haben meine
Familie und ich uns dazu entschlossen,
unseren Wohnort zu wechseln.
Die berufliche Weiterentwicklung war
für uns ein entscheidendes Motiv.
So sind wir ins Schwabenländle nach
Winnenden gekommen. Wir fanden die
Gegend sehr schön und auch die beruflichen
Perspektiven waren sehr gut. Seit
2012 arbeite ich am Bildungszentrum
für Gesundheitsberufe Rems-Murr in
Winnenden, erst als Kursleiterin, dann
als stellvertretende Schulleiterin und
seit zwei Jahren als Schulleiterin.
Was würden Sie jemandem raten,
der sich im Pflegeberuf engagieren
will?
Unentschlossene sollten sich erst die
Grundsatzfrage stellen, ob sie lieber mit
Menschen oder mit Maschinen arbeiten
wollen. Die eigene Persönlichkeit sollte
man bei seiner Entscheidung berücksichtigen
und sich fragen, ob man den
Kontakt zu anderen Menschen mag.
Bevor man sich für den Beruf entscheidet,
sollte man auf jeden Fall die Möglichkeit
zu einem Praktikum oder gleich
einem freiwilligen sozialen Jahr ergreifen,
um auch wirklich sicherzugehen,
dass sich die Vorstellungen vom Beruf
mit der Realität decken. alh
Job & Karriere 2018/2019 39