s-07 neu

MORITZ_LB_072017

Story wird. Fakt ist: Für uns war und ist das ein harter, langer Weg und der geht nur über Live. Spielen, kämpfen und sich freuen, wenn es mehr Leute werden. Wie aus 50.000 mehr als 100.000 werden konnten, weiß ich nicht. Die Leute scheinen hungrig zu sein. Vielleicht ist es ja eine Auszeichnung, wenn Bands wie Eisbrecher nicht im Rundfunk laufen. Vielleicht unterscheiden wir uns von Mark Forster und Andreas Bourani. Aber die Singer-Songwriter kommen einem inzwischen aus jeder Pore raus und man wünscht sich wieder englische Texte zurück, weil man es dann wenigstens nicht verstehen müsste. Also, mal ehrlich, wenn »Wir sind groß«, »Die Chöre singen für uns« und »Atemlos« alles ist, was die Deutschen bewegt, sind wir wirklich die Arsch-langweiligste Nation der Welt. »Rock im Radio findet nicht statt« An allem sind die Medien Schuld? Journalismus kann ich auch. Ich habe was bei Facebook gepostet. Fotos selbstgemacht, ich bin Fotograf. Dann habe ich mit meiner Arschloch-App noch was zusammengebastelt, ich bin auch Grafiker. Der moderne Internet-User ist heute sowieso alles. Früher glaubte man, dafür Spezialisten zu brauchen. Deswegen kann auch jeder Arsch alles, wovon er keine Ahnung hat, mit Kommentaren verseuchen. Ist das nicht wunderbar? Lösung: Ohren zu und durch. Die Single »Was ist hier los« spiegelt das auch. Da geht die Faust in den Zahn und in die Weichteile. Seid ihr dystopisch? Dystopischer Film, dystopische Platte, dystopisches Computerspiel, blablabla. Wenn die Bomben regnen oder das Napalm spritzt und irgendwo wieder Millionen Menschen in irgendeinem sinnlosen Scheißkrieg umgebracht werden, dann ist das Dystopie. Dystopie gibt es nur für die, die gerade in die Scheiße kucken und denen es wirklich schlecht geht. Wir leben hier mit nem dicken Arsch auf der Sonnenseite, was wir eines Tages teuer bezahlen werden müssen. Andere verhungern gerade in Somalia oder im Sudan. Unsere Musik ist eher Festsellung als Dystopie. Dystopie, nee, tut mir leid, das ist mir zu billig! OK. Entschuldige bitte! Das war kein guter Angriff, junger Mann! Nächster Versuch von Dir... Ich probier es. Bist Du ein Macho? Du meinst harte Schale weicher Keks? Wenn wir Macho so definieren, bin ich auf alle Fälle dabei. Sich Macho vorzunehmen, heißt dickes Auspuffrohr an deinen Golf, Scheiben runter, Arm raushängen, Pornobrille aufsetzen, Bushido hören und ,Fick disch, Alter‘ schreien. Ist das Macho oder blöd? Das ist wie ,Ist das Kunst oder kann das weg?‘ Für einen Macho bin ich zu sensibel. Alternative ist der Softie? Wenn a) Macho und b) Softie zur Wahl stehen, bin ich auf keinen Fall das Softeis! Hart ohne assi zu sein? Das ist uns wichtig. Obwohl Menschen von Natur aus assi sind, ist Kopfarbeit auch wichtig. Wir sind Rock-Dreikämpfer. Zum Rock-Dreikampf gehören drei Komponenten: Herz, Hirn, Eier. Wenn Du alle drei bedienst, machst Du gute Platten. Bei nur einem oder zwei davon, wäre das Ergebnis zu dünn. Das Hirn muss rattern, aber ich will auch was spüren, ab und zu ausrasten und ein Tränchen im Auge haben. Was hörst Du privat? Techno? Ja, Techno (lacht). Alex Christensen. Das Boot von U96 jeden Tag 24 Stunden. Nein, ich höre privat selten Musik. Und wenn, lande ich immer wieder bei den 80ern. Im Auto höre ich nie Musik, da höre ich dem Auto zu. Aktuell stehen Franky goes to Hollywood, Pat Benatar, alte Depeche Mode- Scheiben und die Bee Gees unter dem Spieler. Ich bin aber mit dem Metal-Virus infiziert und werde ihn auch nicht mehr los. Als Metal mit Industrial, Hip-Hop und allem Möglichen verschmelzte, fand ich das geil. Bodycount Motherf****? Ja, genau! Dummer Text, aber was waren das für geile Riffs?! Judgement Night Sampler, Boo-Yaa T.R.I.B.E., Slayer, Helmet mit Onyx, Rage against the Machine, Clawfinger, das war eine geile Kollision. Ja, ich feiere Maiden, aber die Zeit der frühen 90er bleibt mir in guter Erinnerung. Biohazard? Von der Schwere her auch OK. Stone Temple Pilots, Nine Inch Nails, Soundgarden, Gott hab sie selig! Grunge- und Front-Leute haben sich mit ihrem Seelenstriptease lebensunfähig gemacht. Wenn man zuviel von sich auf das Tablett legt, muss man offensichtlich das Zeitliche segnen. Mein Kompagnon, der Pix, ist musikalisch noch aufgeschlossener. »Bin mit dem Metal-Virus infiziert« Echte Männerfreundschaft mit Jochen »Noel Pix« Seibert? Ja, diese Freundschaft geht ganz tief. 1995 haben wir uns bei »Megaherz« kennen gelernt. Für jede Beziehung muss man arbeiten. Mann-Frau, Frau-Frau, Mann- Mann, Regenwurm und Vogel, scheißegal, kunterbunt. Pix und ich könnten uns umbringen, aber auch in den Armen liegen. Sich Positives zu sagen oder jemanden zu loben, ist schwieriger als sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen oder ,F*** dich‘ zu sagen. F*** you geht leichter als ,Ich liebe Dich‘. Aber es ist schön, wir können uns wirklich missverstehen. Provokant ohne verbittert zu sein? Es ist diese kleine explosive Mischung und diese Reibung, die manchmal weh tut, aber voranbringt. Wir können es uns auch ins Gesicht sagen, wenn der eine nächtelang an einer Textlösung gefeilt hat und er es selbst, aber andere oder ich nicht gut finden. Das ist oft wie ein Schlag mit der flachen Hand, aber wenigstens ehrlich. Oft schrammen wir beide hart am 3. Weltkrieg vorbei. Wenn er mich kritisiert, denke ich drüber nach und sage oft: Scheiße, der hat ja auch noch Recht. Dann fangen wir halt noch mal von vorne an. Bist Du ein Sonnenfreund? Ich bin ein dunkler Typ. Wenn ich einmal in die Sonne gehe, sehe ich danach aus, wie die Jungs, die in Freital immer Probleme kriegen. Wenn die Invasion der »Muselmanen « kommt und das Schicksal des Abendlandes endgültig besiegelt, setze ich mir einfach einen Turban auf, halte die Fresse, alle werden sagen »Inschallah« und ich winke freundlich. Ich werde das schaffen, weil ich halt wie geil aussehe. Deswegen lasse ich mir auch gerade einen Bart wachsen. Du hättest dann noch mehr Frauen! Und alle legal! Geil! Ich werde vielleicht andere Mucke machen müssen, aber hey, dann halt die Flöte und die Schlange. Oder eben gar keine Musik! Ja, einfach nur Frauen, ohne Musik. Auch OK. Werde ich einfach Kalif anstelle des Kalifen. Ich bin vorbereitet, egal, was da kommt. Bald ja auf Tour im schönen Schwaben? Da freue ich mich drauf. Wir werden da was starten, Volle Kraft voraus-Festival und Sturmfahrt-Tour. Wir wollen da ein kleines nettes Ding etablieren, was noch nicht gleich das nächste Super-Rock‘n‘Roll Event ist. Sollte es nicht klappen, bin ich traurig, betrinke mich und gehe ein Runde im Geldspeicher schwimmen. Nächstes Jahr wirst Du 50. Feierst Du alleine oder machst Du eine geile Party? Du redest mit mir ernsthaft über nächstes Jahr? Ich weiss ja noch nicht einmal, was ich nächste Woche mache! Nur bis zur Nasenspitze denken reicht? Ja, und ich sage Dir eins. Wenn ich bis zur Nasenspitze denke, denke ich weiter als viele, denn ich habe eine echt lange Nase. Die macht mich so outstanding und jeder Millimeter zählt. Du hast das Krankenhaus erwähnt? Komasaufen oder Altersermüdung? Im Krankenhaus bin ich wegen meines kaputten Knies, weil ich relativ jung bin. Das zwingt mich immer wieder zu irgendwelchen Maßnahmen, damit ich nicht gleich Titan kassiere. Das bräuchte ich eigentlich schon, aber ich habe da noch keinen Bock drauf. So hat jeder sein Manko. Also, Rock ohne Alkohol ist nicht. Abstinente, vegane Rockstars soll es geben. Wer rocken will und nicht säuft, raucht und natürlich permanent untreu ist, hat den Beruf verfehlt. Diese Aussage hat mich jetzt als Macho klassifiziert, oder? Nö. Als Lebemann, sagen wir mal... Nö, als intellektuellen Schöngeist! Als Moralist und Denker. Ich halte es da mit Kant und gebe mir gerne die Kante. tmo Das ganze Interview auf www.moritz.de Eisbrecher – Volle Kraft voraus Sa. 8. Juli, 13 Uhr, Ratiopharm Arena, Neu-Ulm Eisbrecher – Sturmfahrt 2017 Mo. 2. Oktober, 20 Uhr, Liederhalle, Stuttgart www.eis-brecher.com MORITZ 2017-07 7


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