Zu Ende gedacht Schrecken ohne Ende Kürzlich sah ich eine Reportage im Regionalfernsehen, in dem Bürgerinnen und Bürger im Ländle zum Thema »kostenloser Nahverkehr« befragt wurden. In Zeiten von Schulz, Trump und dem Diesel-Dilemma eigentlich ein Thema, bei dem in der plebs urbana doch endlich mal Einigkeit herrschen sollte. Meint man, jetzt so ganz naiv. In Wirklichkeit taten sich auch hier Abgründe auf, verhärtete Fronten kamen zum Vorschein. Auf den Punkt gebracht wurde das Dilemma von einem älteren Herrn, dessen Hörgerät entweder nicht richtig eingestellt gewesen war oder der einfach eine sehr eigenwillige Meinungsbildung hat. »Ich bin dagegen«, schnauzte er ins Mikrofon. »Ich zahl‘ ja auch.« Ich bin dagegen. Ich zahl ja auch. Das kann man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Was weiß ich, vielleicht dachte er ja, dass alle außer ihm kostenlos Bus und Bahn fahren dürfen. Oder vielleicht nur die Flüchtlinge? Fakt ist: Es ist gar nicht mal so einfach, es den Menschen recht zu machen. Dabei wäre ein kostenloser Nahverkehr in den Städten doch so ziemlich das Beste, was uns passieren könnte. Weniger Autos, weniger Stau, in Stuttgart weniger Feinstaub. Aber die Menschen zu ihrem Glück zwingen, das hat bekanntlich recht selten funktioniert. Die Kreuzzüge wurden ja irgendwie auch nicht von allen positiv aufgenommen. Als recht genügsamer Mensch fragte ich mich im Zuge dieser Reportage, was unsere Spezies eigentlich braucht, um glücklich zu sein. Bietet die Bahn kostenloses W-LAN an, ist es zu langsam. Gibt es einen Obstler aufs Haus, war der am nächsten Morgen Schuld am Kater. Ist man nett zu der hübschen Bedienung, gibt es gleich Ärger zuhause. Im Sommer ist es zu heiß, im Winter zu kalt, außerdem ist das Helene-Fischer-Konzert längst ausverkauft. Unsere Unzufriedenheit, so ist stark anzunehmen, wird deswegen auch dann nicht besser, wenn wir kostenlos Bahn fahren dürften. Unpünktlich sind die Züge dann ja immer noch, außerdem noch überfüllter als sonst. Wie war das? Man sollte den Nahverkehr vielleicht lieber teurer machen, damit die Züge leerer sind und aufgrund besser bezahlten Personals auch pünktlich fahren? Mich würde interessieren, was der ältere Herr aus dem Fernsehen wohl dazu sagt. Björn Springorum Impress um Herausgeber MORITZ-Verlags-GmbH www.moritz.de Zentrale und Verlagssitz Heilbronn (Ausgaben Heilbronn, NOK und Hohenlohe/Main-Tauber/Ansbach) Brücklesäckerstr. 4, 74248 Ellhofen, Fon: 07134/5260–0, Fax: -111, E-Mail: grafik@moritz.de, redaktion@moritz.de, buero@moritz.de. Büro Stuttgart (Ausgaben Stuttgart, Ludwigsburg, Reutlingen/Tübingen) Dieselstraße 32, 70839 Gerlingen, Fon: 07156/30716-40, Fax: -50, E-Mail: stuttgart@moritz.de Geschäftsleitung Ingo Eckert (Geschäftsführer, V.i.S.d.P.) Redaktionsleitung Ausgaben Stuttgart/Ludwigsburg: Thomas Moegen (tmo) Ausgabe Heilbronn: Helen Gerstner (heg)/ Sophia Budschewski (sob) komm. 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