Zu Ende gedacht Rollende dschungelprüfung Am Wochenende bin ich mit der Deutschen Bahn nach Braunschweig gefahren. Erste Klasse. Also, nicht Braunschweig, aber das Ticket. Nicht, dass ich mir das leisten kann. Ich ertrage es aber nicht anders. Als mehr als regelmäßiger Stammkunde des Schienenunternehmens weiß ich das Streckennetz zwar zu schätzen und finde es außerdem schön, dass man im Gegensatz zum Autofahren in vollen Zügen trinken kann: Der Rest hingegen… naja. Ihrem schlechten Ruf setzt die Bahn recht mittelmäßig ein holpriges W-LAN (immerhin kostenlos) entgegen. Dem Image hilft das nur bedingt. Dabei zeigt doch die SPD dieser Tage, wie einfach es ist, alles beim Alten zu lassen und trotzdem plötzlich wieder von allen geliebt zu werden. Der Schulz-Effekt, wie man dazu sagen könnte, hat es der Partei erlaubt, weiterhin nicht zu wissen, wo sie hinwill, aber plötzlich einen aussichtsreichen Kanzlerkandidaten in der Hinterhand zu haben. Auf die Deutsche Bahn angewendet, könnte dieser Effekt in etwa so aussehen: Das debile »Dschungelcamp«- Moderatorenduo übernimmt die Leitung der Deutschen Bahn – und plötzlich wollen alle D-Promis, und somit auch die hörige Zuschauerschar der Privaten, wieder Zug fahren. Der Gang auf das ekelhafte Zugklo ist keine Zumutung, sondern eine Dschungelprüfung, der Kaffee schmeckt außerdem auch kaum schlechter als pürierte Eidechsenhoden. Auch vor anderen Unpässlichkeiten unseres Lebens wäre der Schulz-Effekt ein Gewinn: Der anstehende Besuch der Schwiegermutter wird von Jochen Schweizer fortan als »Survival-Wochenende« für 149 Euro verschachert, die Zahnärzte des Landes steigen mit sofortiger Wirkung auf Lederkleidung um, machen ihre Behandlungszimmer zu Verliesen und bieten die ultimative Sadomaso-Dienstleistung an. Wer hat da nicht gern eine Wurzelbehandlung? Spül! Jetzt! Aus! Fragt sich nur, wann die Bundesregierung auf die Idee kommt, unser tägliches Leben als großangelegtes neues »Big Brother«- Projekt zu bewerben, das uns alle zu Stars macht. Also spätestens dann mache ich es wie Truman Burbank und steche mit einem Boot in See, um diesen ganzen Wahnsinn zu entgehen. Hoffentlich wurde der Bootsverleih mittlerweile nicht als »Reisen wie die Geißens « vermarktet. Auf diese schrille Carmen habe ich echt keine Lust… Björn Springorum Impressum Idee und Zeichnung: Ben Kauffmann Die 10... ... Tipps für die Marketing Abteilung der Deutschen Bahn Gleisänderung wird zu »kostenlosem Fitnessangebot « Verspätung wird zu »gezielter Entschleunigung« Mieser Kaffee wird zum »DDR-Nostalgietrunk« Verpasster Anschlusszug wird zur »reizvollen Stadt-Entdeckung« Junggesellenabschied im Zug wird zu »lebendigem Lokalkolorit« Denglisch-Durchsage wird vom Duden präsentiert Wintereinbruch wird als »Erlebnisfahrt« verkauft Hitzewelle wird zur »Premiumreise mit Saunaangebot « Reservierungsanzeigen- Ausfall wird zur »vergnüglichen Reise nach Jerusalem«. Streik zur Ferienzeit wird zur »Gelegenheit, auch mal zuhause Urlaub zu machen« Herausgeber MORITZ-Verlags-GmbH www.moritz.de Zentrale und Verlagssitz Heilbronn (Ausgaben Heilbronn, NOK und Hohenlohe/Main-Tauber/Ansbach) Brücklesäckerstr. 4, 74248 Ellhofen, Fon: 07134/5260–0, Fax: -111, E-Mail: grafik@moritz.de, redaktion@moritz.de, buero@moritz.de. 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