nur an die Verschwörungstheorien, die die Gesellschaft gespalten
haben. Die Herausforderung, die Gesellschaft zusammenzuhalten,
wächst auch jetzt durch die steigende Inflation. Was wir
jetzt brauchen, ist bezahlbare Energie. Und wir brauchen Zuversicht
und eine Antwort auf die Frage: Wo führt dieser Weg hin?
Das Thema Energieeinsparung nehmen wir sehr ernst: Wir haben
als Stadtverwaltung aktuell ungefähr fünf Millionen Euro mehr an
Energiekosten. Und wir müssen jetzt da einsparen, wo wirklich
ein Effekt erzielt wird, etwa bei der Beheizung von Hallenbad,
Sporthallen und öffentlichen Gebäuden. Da werden wir 15 bis 20
Prozent einsparen, was ja der Vorgabe durch die Verordnungen
entspricht. Und das schaffen wir.
Was Gmünd auch einige Schlagzeilen beschert hat, war der
Gmünder Weg in der Flüchtlingspolitik. Wie würden Sie diesen
beschreiben?
Meine Herangehensweise war einfach, und das entspricht auch eigentlich
ganz dem christlichen Ansatz, ist also auch im Kern CDUPolitik.
Im Mittelpunkt steht der Mensch, mit allen Fähigkeiten und
Talenten. Und wenn die alle was können, dann muss man Angebote
machen. Damit schafft man Anreize und da lassen sie sich drauf
ein. Auf diese Art und Weise integrieren sie sich und tragen zur Gesellschaft
bei. Und das hat funktioniert. Damals durften Geflohene
nicht arbeiten und wurden vor den Toren der Stadt, in alten Kasernen,
untergebracht. Der Gmünder Weg umfasste fünf Elemente:
Sprache Lernen, ehrenamtliches Engagement, das Hineinschnuppern
in einen Betrieb, dort eine Ausbildung machen und eine Wohnung
bekommen. Das alles zusammengenommen war und ist heute
noch ein sehr erfolgreicher Weg. Viele der Geflüchteten von
2015/16 haben eine Ausbildung abgeschlossen und sind berufstätig.
Aus der Ukraine haben wir 930 Menschen aufgenommen, alle
noch in privaten Unterkünften und nicht etwa in Turnhallen. Das
hat alles sehr gut geklappt. Nach wie vor werden auch Ortskräfte
aus Afghanistan ausgeflogen, die wir auch in Schwäbisch Gmünd
aufnehmen. Den Geflohenen bieten wir den Gmünder Weg an,
und wenn sie sich darauf einlassen, werden sie auch gefördert,
beispielsweise durch Sprachkurse. Diejenigen, die zeigen, dass sie
sich integrieren, sollen nicht länger wie Flüchtlinge behandelt werden,
sondern auf ihrem Weg der Integration weiter gefördert werden.
Der Gmünder Weg ist ein Weg des Gebens und Nehmens. Er
ist keine Sackgasse. Es ist ein Weg der kontrollierten Einwanderung.
Das deutsche Einwanderungsrecht basiert immer noch sehr
stark auf Abweisung und ist erst jetzt dabei – durch neue Vorschläge,
neue Gedanken – zu einer wirklichen Einwanderungspolitik zu
werden.
Wie wappnet sich Schwäbisch Gmünd für eine drohende
Gasknappheit im Winter?
Das, was dann wirklich stattfindet, können wir eigentlich gar nicht
genau vorhersehen. Die Kommune muss so viel Flexibilität und so
viele Instrumente bereithalten, um spontan das Richtige zu tun.
Ich habe bereits auf die Energieeinsparungen hingewiesen. Eine
unserer Arbeitsgruppen kümmert sich aber auch um die erneuerbaren
Energien. In Mutlangen haben wir das zweitgrößte Solarfeld
Baden-Württembergs. Wir haben die Bürgerenergiegenossenschaft
Stauferland gegründet, die den Solarpark zur Hälfte finanziert.
Auch auf dem Gügling haben wir ein großes Solarfeld errichtet.
Bei den Windrädern müssen wir noch stärker werden, da werden
wir nicht drum herumkommen. Die Genehmigungsverfahren
sind bekanntlich sehr umfangreich und zeitaufwändig.
Was haben Sie sich für Schwäbisch Gmünd in den nächsten
Jahren vorgenommen?
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sowie Klimaanpassung. Das Thema
der Klimaanpassung ist ein sehr herausforderndes, weil es
nicht ohne ausreichende Finanzen geht und weil es den guten
Willen der gesamten Bevölkerung braucht. Auch da kommt wieder
der gesellschaftliche Zusammenhalt zum Tragen. Die Klimaanpassungsmaßnahmen
müssen Bürgersache werden. Und dann
wird es was. Nicht über Verbote, sondern durch Anreize. In meiner
Zeit in Brüssel habe ich gesehen, wie man mehr Grün in die
Stadt holen kann – Inseln, die den Autoverkehr etwas unterbrechen.
Auch wir werden das machen. Wir haben schon während
Corona mit der Schmiedgasse angefangen. Und vor dem
Schmiedturm werden wir einen kleinen Wald errichten, um so eine
Unterbrechung zu schaffen.
Im Oktober findet das internationale Schattentheater-Festival
statt. Was zeichnet diese Veranstaltung aus?
Schwäbisch Gmünd hat mit dem Schattentheater ein Alleinstellungsmerkmal.
Diese Kulturveranstaltung ist nicht vom Rathaus
verordnet, sondern in der Bürgerschaft ganz langsam gewachsen.
Dieses Schattentheater-Festival bringt Leute aus der ganzen
Welt zusammen. Es ist eine Kunst, die ganz speziell ist, aber unglaublich
ans Herz geht. Mit dieser Technik kannst du unglaublich
viel darstellen – dafür bräuchte man in anderen Präsentationsformen
sehr viel an Ressourcen, Geld und Manpower. Das kann man
hier auf ganz andere Art und Weise sehr liebevoll im Kleinen bringen.
Ganze Opern oder Geschichten, aber auch Geschichte. In
diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf Europa. Und ich kann nur
allen empfehlen zu kommen. Riccardo Terrasi
Der Marienbrunnen auf dem Schwäbisch Gmünder Marktplatz
MORITZ
2022-10 5