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MORITZ_TB_052017

STORY Der Schriftsteller Christian Schloyer, Gründer der Gruppe »Wortwerk Erlangen/Nürnberg« und Organisator der Nürnberger Lyriknacht, erhielt das Stadtschreiber-Stipendium der Universitätsstadt Tübingen. MORITZ-Redakteur Thomas Moegen sprach mit ihm über seine Auszeichnungen, die Lyrik, sein Amt als Stadtschreiber und sein Faible für verwilderte Friedhöfe als Naherholungsgebiet. »keIne message von LyrIk erwarten« Du bist ab Mai Stadtschreiber von Tübingen. Was macht ein Stadtschreiber? Tja, gute Frage. Ich kann nicht sagen, was ein Stadtschreiber macht, ich kann nur sagen, was ich vorhabe. Ich werde mir anschauen, was in Tübingen so los ist, mich künstlerisch vernetzen und austauschen und an meinen Projekten weiterarbeiten. Warst Du schon vor Ort? Leider noch nicht, aber ich habe bisher nur Gutes über Tübingen gehört. Du hast mehrere Auszeichnungen erhalten, zuletzt 2016 den Münchner Lyrikpreis. Für welche Werke waren die? Beim ersten Preis überhaupt, dem Berliner open mike 2004, hatte ich als Lyriker gar nicht erwartet in Konkurrenz zu Prosaschreibern so weit zu kommen. Eine befreundete Prosaschreiberin, die damals Zweite wurde, hatte den AB voller Verlagsanfragen. Lyrik ist da weniger gefragt. Mit dem Leonce-und-Lena-Preis 2007, dem deutschen Nachwuchspreis für Lyrik, hat sich für mich viel verändert. Das führte zu meiner ersten Veröffentlichung bei Kookbooks. Den Münchner Lyrikpreis bekam ich für eine kleine Gedichtauswahl, die auch Teil meines jetzigen Lyrik-Bands »Jump ‘n‘ Run« sein wird, eine Art Computerspiel in Buchform, das im August im Leipziger poetenladen-Verlag erscheinen wird. Du bist Lyriker, Konzept- und Klangkünstler, Literaturveranstalter, Prosa-Autor, Werbetexter und Stadtschreiber. Sind das alles Berufe? Literaturveranstalter bin ich ehrenamtlich, Klangkunst ist eher ein ambitioniertes Hobby von mir, alles andere mache ich beruflich. Das Amt des Stadtschreibers ist ein symbolisches, eine Förderung der Universitätsstadt Tübingen. Zieht Deine Familie mit nach Tübingen? Nein, ich werde zwischen Nürnberg und Tübingen pendeln. Man ist glücklicherweise bereit, mir diese Flexibilität zuzugestehen. Die Stipendien-Landschaft könnte wunderbar sein, ist aber für Unabhängige weitaus besser geeignet als für Familienväter. »Ich mag FrIedhöFe schon sehr« Du wohnst demnächst im ehemaligen Aufsehergebäude am historischen Stadtfriedhof? Ja, genau. Schon jetzt, in Nürnberg, wohne ich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Südfriedhof, einem der schönsten Friedhöfe, die ich kenne. Dieser Wald mit riesigen Bäumen und Grabsteinen dazwischen ist mein persönliches Naherholungsgebiet. (lacht) Nun ziehe ich also auf den nächsten Friedhof nach Tübingen. Hast Du eine Vorliebe für Friedhöfe? Der Charme des Morbiden? Dass das Stadtschreiber-Häuschen am Friedhof liegt, auf dem Hölderlin und Uhland ruhen, das ist ein schöner Zufall! Ich mag Friedhöfe schon sehr. Nicht die überpflegten Bestattungsparkplätze, sondern eher die verwilderten, auch mal dem Verfall preisgegebenen Friedhöfe, versteckt hinter Häuserreihen. Das Schöne am Friedhof ist, wie es der Name schon sagt, das Friedliche. Als Stadtmensch brauche ich gelegentlich diese Ruhe. Was hast Du Dir vorgenommen? Ich werde auf jeden Fall meinen Lyrik-Band zu Ende bearbeiten, damit er zum Erlanger Poetenfest fertig ist. Aufwendig ist die grafische Umsetzung, die ich selber mache. Beim Bücherfest in Tübingen bin ich auch dabei. Wenn ich darüber hinaus noch Zeit finde, gehe ich vielleicht noch ein neues Projekt an. Da ist aber noch nichts spruchreif. Mal sehen, was sich durch Tübingen und das Umland so ergibt. Was möchtest Du den Tübingern schon mal vorab sagen? Eine Message? Eine Message, jawoll (lacht). Meine Message ist, bloß keine Message von Lyrik zu erwarten. Wenn Lyrik in erster Linie Botschaft ist, taugt sie nichts. Unabhängig davon kann die Message gut und wichtig sein, sollte sich aber nicht zu wichtig nehmen im Gedicht. Lyrik ist ein lebendiges Wesen? Ja. Lyrik ist ein sehr lebendiges Wesen und auf keinen Fall bloß ein Message-Transporter. Das ganze Interview auf www.moritz.de MORITZ 2017-05 5


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