TRÄGERVEREIN FREIES KINDERHAUS E.V
Plochinger Str. 14 · 72622 Nürtingen · Tel: 07022-2096100
verein@tvfk.de · www.seegrasspinnerei.de
STADT NÜRTINGEN 2022 101
Ateliers, Kunsthandwerkstätten und Räume für Gesundheitsleistungen.
Im Erdgeschoss befindet sich die vereinseigene
Kulturkantine, die mittags – zumeist vegetarisch –
bis zu siebzig Gäste verköstigt, dazu kommen noch die
Mitarbeiter:innen des Vereins und der Schülerhort. An den
Abenden unter der Woche treffen sich hier die Elterngruppen
der drei Kindertagesstätten des Vereins, politische
und kulturelle Initiativen wie der »BUND«, »Fridays
for Future«, das »Forum zukunftsfähiges Nürtingen« und
der afrikanische Verein »Namél« oder Salsa- und Lindy-
Hop-Tänzer:innen. Viele dieser Initiativen kommen wegen
der weltoffenen und von Religion und politischer Ausrichtung
freien Plattform, die der Verein bietet, verbunden
mit einer unkomplizierten Möglichkeit, Räume und z.B.
technische Ausstattung zu leihen.
An den Wochenenden ist die Kulturkantine oft für private
Feiern vermietet – oder aber es wird ein Kulturprogramm
geboten, dass sich sehen und hören lassen kann. Kürzlich
trat hier die irische Starsängerin Eleanor McEvoy auf und
»Jaakko Laitinen & Väärä Raha« aus Lappland begeisterten
das Publikum. Aber auch für Bands aus der Region ist
die Kulturkantine ein wichtiges Schaufenster. Und nicht
zuletzt junge Bands erhalten beim alljährlichen ARTerminal
Festival am letzten Wochenende in den Sommerferien
ihre Chance.
Vor rund fünfzehn Jahren begann der Trägerverein
schließlich mit dem Umbau des dritten Gebäudes, der
Fabrikation: Von innovativen Unternehmen der Region
unterstützt, kamen hier regenerative Energietechnik und
ökologische Baustoffe wie Lehm zum Einsatz. Auch
Jugendliche, die auf dem ersten Arbeitsmarkt wenig
Chancen hatten, wurden in die Sanierungsarbeiten
integriert – angeleitet von Handwerkern und betreut
von Sozialpädagogen.
Heute befinden sich hier im Erdgeschoss das afrikanische
Restaurant »Abessina« und das Siebdruckatelier der
Jugendwerkstatt des Vereins. In den Stockwerken darüber
haben sich unter anderem (Kunst-)Therapeut:innen,
Energieberater:innen Landschafts-architekt:innen und –
planer:innen und das Wahlkreisbüro des Ministerpräsidenten
eingemietet. Außerdem ist hier das Janusz-Korczak-
Institut zu Hause und die vereinseigene psychosoziale
Beratungsstelle für psychisch belastete Geflüchtete.
Das Projekt »FreiRAUm« schließlich macht neu-zugezogenen
Frauen vielseitige Empowerment-Angebote.
Auf dem Areal verteilt befinden sich zudem Carsharing-
Plätze und, in einer umgebauten Telefonzelle, ein Foodsharing
Verteiler sowie neben dem im Sommer für Konzerte
überdachten Innenhof ein kleines Backhäuschen, das
bislang letzte Bauprojekt auf dem Areal. Entstanden ist
auch dieses als Projekt der im ehemaligen Postlager untergebrachten
Jugendwerkstatt: Unter Anleitung von
Menschen vom Fach können Jugendliche hier neue Fertigkeiten
erlernen und eigene Stärken ausbauen. So unterschiedlich
wie diese sind, so individuell reichen die Leistungen
von der Vermittlung von Praktika, dem Angebot
einer stabilen Arbeitsgelegenheit bis zur Hilfe bei der
Suche nach Sprachkursen für junge Geflüchtete und der
Unterstützung im Umgang mit Behörden. So vielfältig und
unterschiedlich die Menschen und Projekte auf dem Areal
der Alten Seegrasspinnerei auch sind, sie verstehen sich
doch als eine Gemeinschaft: Inhaltlich verbindet sie ihre
ökologische, soziale, interkulturelle und nicht zuletzt auch
kinderfreundliche Ausrichtung. Es gibt einen ständigen
Austausch zwischen den Vertreter:innen aller Projekte
und bei großen alljährlichen Events wie dem Tag der offenen
Tür oder den Afrikatagen ist große Kooperation angesagt
– zum Gewinn für Alle und das Gemeinwohl!
Sie alle wollen das historische Industrieensemble auch in
Zukunft so vielfältig und erfolgreich beleben wie heute.
Deshalb wurde vor einiger Zeit eigens eine Stiftung gegründet.
Diese soll den Erhalt des Kleinods gewährleisten
– und zwar über das Jahr 2026 hinaus. Dann läuft nämlich
der bisherige Pachtvertrag aus und das Gelände steht
zum Verkauf. Bis dahin muss die Stiftung einiges an Geld
zusammenbekommen, um das Areal zu kaufen. Die Chancen,
dass auch die Stadt dieses Vorhaben unterstützen
könnte, stehen besser, seit klar ist, dass in unmittelbarer
Nachbarschaft der Alten Seegrasspinnerei das neue IBAWohnquartier
»Bahnstadt« entsteht. Auch für dieses soll
die Seegrasspinnerei in Zukunft als ein kultureller und
sozialer Mittelpunkt fungieren. alh