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JOURNAL2021 20 IN KRAICHGAU UND ODENWALD
BÜRGERMEISTER IM INTERVIEW
Der Odenwald und der Kraichgau waren im turbulenten Jahr 2021 vor große Herausforderungen
gestellt. Im Gespräch mit MORITZ-Redakteur Riccardo Terrasi blicken die (Ober-)Bürgemeister von
Mosbach, Sinsheim, Buchen und Eberbach auf ein bewegtes Jahr zurück und schauen auf 2022.
OB Michael Jann, Mosbach
OB Jörg Albrecht, Sinsheim
6 2022-01
DFI@KQ
2021 war das zweite Jahr,
das die Pandemie fest im
Griff hatte. Wie blicken Sie
darauf zurück?
Es war definitiv kein normales
Jahr. Wir haben hier in
der Stadtverwaltung versucht,
das Beste daraus zu
machen und vor allen Dingen
zu sehen, wie wir als Gesellschaft
auch positives aus
dieser Pandemie schöpfen
können. Denken Sie an die
stark forcierte Digitalisierung,
denken Sie an Homeoffice,
an Homeschooling.
Die Weiterentwicklung alleine
dieser drei Punkte zeigt
uns, dass die vielzitierte life
work balance und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch ganz
anders aussehen kann als bisher.
Was waren für Sie die größten Herausforderungen?
Ganz klar die immer sehr kurzfristige Umsetzung der jeweiligen Corona
Verordnungen. Die Schaffung von Testmöglichkeiten und die
Beschaffung von Tests für Schulen, Kindergärten und Mitarbeiter
und ganz aktuell die Unterstützung der Impfkampagne durch die Organisation
von offenen Impfangeboten. Und vor allen Dingen auch
die Verwaltung leistungsstark zu halten, damit zu jeder Zeit alle Services
der Verwaltung für unsere Bürgerschaft möglich sind.
Gab es auch positive Aspekte, die Sie 2021 überrascht haben?
Ja auf jeden Fall die Treue der MosbacherInnen zu ihrem Einzelhandel
und der Gastronomie. Die Besinnung darauf, dass die Innenstadt
weiter mit Leben erfüllt sein muss. Und nicht zuletzt die Bereitschaft
der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, all die notwendigen
Maßnahmen mitzutragen, um diesem Virus Einhalt zu gebieten.
Was waren Themen abseits von Corona, die Sie 2021 beschäftigt
haben?
Da gibt es einmal die gemeinsame Initiative von DHBW, Landratsamt
und Stadtverwaltung, ein Baukompetenz-Zentrum im Mosbach zu initiieren.
Wir sind da auf dem Weg und hoffen das umsetzten zu können.
Damit zusammenhängend der erneute Versuch aus der Großen
Kreisstadt Mosbach auch offiziell die Hochschulstadt Mosbach zu
machen. Was uns übrigens gelungen ist. Ab dem 01.01.2022 dürfen
wir den Zusatz »Hochschulstadt« führen. Ein ganz großes Thema ist
die Schaffung von Wohnraum, das im Augenblick sehr viel Raum einnimmt.
Auch hier geht es in kleinen Schritten voran. Sehr intensiv beschäftigt
haben wir uns mit der Ertüchtigung unserer Schulen. Hier
haben wir einige Großprojekte begonnen bzw. weitergeführt.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Stadt im kommenden
Jahr?
Wir werden auf jeden Fall weiter daran arbeiten Wohnraum zu schaffen,
wir werden die Digitalisierung vorantreiben und wir werden uns
ganz gezielt mit dem Thema Klimawandel beschäftigen und daran arbeiten,
Mosbach und die gesamte Region auf dem Weg zur Klimaneutralität
mitzunehmen. Das Thema Fairtrade Town wird im
kommenden Jahr konsequent weiterverfolgt. Die Umstrukturierung
der Mobilität wird auch in Mosbach ein großes Thema sein.
Wie war 2021 für Sie?
Im zweiten Jahr der Pandemie
haben wir einerseits in
vielen Bereichen gelernt,
mit den besonderen Herausforderungen
umzugehen
und die Krise weiterhin
besonnen zu managen, andererseits
wuchsen vielerorts
Müdigkeit, Resignation
und Verdrossenheit angesichts
vieler Entbehrungen
und – auch das muss man
ganz offen sagen – der Fehler
und Rückschritte, die
über die Monate hinweg zu
beobachten waren, angefangen
bei einer schleppenden
Impfkampagne
über teilweise widersprüchliche Maßnahmen bis hin zur bis heute zu
niedrigen Impfquote in unserem Land.
Wie ist Sinsheim bislang durch die Pandemie gekommen?
Insgesamt steht Sinsheim im bundesweiten Vergleich sicher nicht
schlecht da. Wir haben schon im vorigen Jahr schnell, vorausschauend,
behördenübergreifend und im engen Austausch auch mit der
Klinik in unserer Stadt auf die Krise reagiert.
Wie alle Städte und Gemeinden hat auch Sinsheim und insbesondere
unsere Bürgerinnen und Bürger selbstverständlich Einbußen hinnehmen
müssen. Das klingt erstmal sehr abstrakt, bedeutet aber
ganz konkrete persönliche Schicksale, derer wir uns stets sehr bewusst
sind. Auch in Sinsheim hatte und hat die Wirtschaft unter
Schließungen und Auftragsrückgängen zu leiden. Dahinter stehen
immer Menschen, die sich in ihrer Existenz bedroht sehen. Und
selbstverständlich trifft es all jene besonders hart, die tatsächlich an
Corona erkrankt sind oder Menschen an die Krankheit verloren haben.
Wenn ich sage, dass wir insgesamt gut durch die Pandemie gekommen
sind, möchte ich das keinesfalls kleinreden.
Was waren weitere Themen, die Sie 2021 beschäftigt haben?
Trotz der schweren Zeiten ist es uns gelungen, wichtige, teilweise seit
Jahren in der Planung befindliche Projekte zu realisieren und voranzutreiben.
Als eines der größten ist hier sicher das neue Feuerwehrgerätehaus
zu nennen. In Sinsheim entstehen zwei neue Kindergärten,
wir bauen also die qualifizierte Betreuung weiter aus, und unsere
Realschule wird generalsaniert. Ermöglicht wird das auch durch
die außerordentlich großzügige Unterstützung der Dietmar Hopp
Stiftung.
Was können Sie dem Jahr 2021 Positives abgewinnen?
Überraschend oder vielmehr bemerkenswert finde ich immer wieder
aufs Neue, wieviel positiven Rückhalt wir insgesamt aus der Bevölkerung
erleben und zu wieviel Hilfsbereitschaft, Solidarität und Zusammenhalt
wir alle in Krisenzeiten fähig sind. Es gab viel beeindruckendes
gesellschaftliches Engagement zu beobachten.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Stadt im Jahr 2022?
Ich bin ganz positiv gestimmt. Für Sinsheim wird es auch weiterhin
vorangehen. Ich hoffe insbesondere auf die Impfwelle, damit wir bald
tatsächlich wieder gemeinsam die schönen Seiten unserer Stadt erleben,
zusammen feiern und Kultur erleben können.
Foto: Dana Maiterth