Page 7

MORITZ_TB_022017

Story Foto: Patrick Herzog MORITZ PRäsenTIeRT »Die Nerven« aus Stuttgart gelten bei Fans und Kritikern gleichermaßen als Band der Stunde. Im vergangenen Jahr hat das trio viel erreicht und war ganz schön unterwegs. MorItZ-redakteur thomas Moegen sprach mit Bassist Julian Knoth über die Band-Chemie, das süße Nichtstun, den Medienhype, politischen Widerstand, die Fans, die Israel-tour und einen Zukunftsblick ins Jahr 2022. »lieber verrückt als langweilig« Ihr habt gerade Ferien. Geht ihr feiern oder hängt ihr vor der Glotze rum? Eigentlich machen wir gar nichts. Feiern und Bier trinken auch nicht. Eher das Gegenteil. Und ich habe keinen Fernseher. 2016 waren wir viel unterwegs. Einfach mal runterkommen. Ich will mich um andere musikalische Sachen kümmern, weil das zuletzt bei mir immer recht wenig war. Max und Kevin haben da mehr gemacht. Das Projekt »All diese Gewalt«? Ja, Wolf Mountains und Karies auch. Kevin spielt ja auch noch in anderen Bands. Ich hatte da so Flaute. Ich will einfach aus Spaß Musik machen, ohne daran denken zu müssen, eine Rechnung zu schreiben. Bastelt ihr gerade am neuen Album? Wir werden in diesem Jahr wahrscheinlich weniger Konzerte spielen. Im Sommer wollen wir das neue Album dann aufnehmen. Wir sind schon recht weit. Es stehen nur noch ein paar Songwriting-Sessions an. Macht Glitterhouse Records Druck? Nein, überhaupt nicht. »Out« ist ja eine Weile her, seit Dezember 2014 waren wir nicht mehr im Studio. Für unsere Verhältnisse nehmen wir uns schon lange Zeit. Ist der Medienhype den ihr erfahrt nevig oder geht es gerade noch so? Der Medienhype hat natürlich viele Vorteile. Mit den Nachteilen muss man leben. Ich hatte nie den Traum, Berufsmusiker zu sein. Wir sind normale Menschen, die sich bewegen, vielleicht erkannt werden, aber echt selten angesprochen werden. Nicht bekannt? Tocotronic spielen im Video zu »Angst« mit. Gute Verbindungen? Kontakte haben wir viele. Ich habe auch das Gefühl, dass wir eine Lieblingsband von Musikern sind. Viele Musiker, die wir gut finden, finden uns auch gut. Das ist was Schönes, aber ich gebe nicht zu viel drauf, obwohl mich das natürlich sehr freut. Was ist euer Stil? Indie-Post-Punk-Rock? Wir passen nicht in ein Genre. Wir sind drei völlig unterschiedliche Typen, die gerne zusammen Musik machen und das funktioniert. Jeder hat verschiedene Einflüsse, Vorlieben und Soundgeschmack. Es ist sehr spannend, dass wir uns trotzdem einigen. »Die Fans Fühlen sich unbesiegbar« Seid ihr System-Widerständler? Ich würde es nicht so hochtrabend sagen. Der Ausdruck Widerständler klingt ganz schön und jeder Mensch ist politisch. Vielleicht machen wir den Soundtrack für die Leute, die nicht damit einverstanden sind, dass die Gesellschaft nach rechts rückt. Unsere Fans, das habe ich oft gehört, fühlen sich bei unserer Musik unbesiegbar. Wenn sie durch die Straßen laufen und denken, dass die Leute irgendwie komisch sind und man alleine ist, dann hören sie Die Nerven und fühlen sich unbesiegbar. Schönes Bild. Seid ihr von der ziellosen Generation X oder der hinterfragenden Generation Y? Keine Ahnung, welche Generation wir sind. »Millennials« vielleicht. Unsere Texte hinterfragen viel und eher subtil. Wir haben eine gemischte Fan-Gruppe, die unsere Musik und Energie gut findet. Es ist ein bestimmter Schlag Mensch, der uns mag. Was habt ihr aus der Israel-Tour herausgezogen? Das war ein Härtetest für uns in diesem verrückten, faszinierenden Land. In der Rush-Hour zum Konzert und alle fahren wie Idioten. In Jerusalem wären wir fast vom Bus überfahren worden. Die Szene in Israel funktioniert, denn die jungen Bands sind stark vernetzt. Die spielen die ganze Zeit live, sehen aber nie einen Schekel dafür. Das hat uns beeindruckt. Sie wirken, obwohl sie oft jünger waren, erwachsener und älter als wir. Sie leben ja in einem Kriegsgebiet und wir als deutsche Kids machen Musik aus einer Luxus-Hobby-Situation heraus. Für die ist nichts selbstverständlich und sie müssen sich alles hart erkämpfen. Wo seht ihr euch in fünf Jahren? Da bin ich ja schon ganz schön alt – 32. Hoffentlich sind wir dann das Non-plus-Ultra in der deutschsprachigen Musik-Szene (lacht). Vielleicht bringen wir 2022 ein unschätzbares Free-Jazz-Album raus. Die Fans würden uns für verrückt erklären. Das wäre mir aber lieber als langweilig zu sein. Die Nerven Fr. 10. März, 20 Uhr, franz.K, Reutlingen, www.franzk.net Das ganze Interview auf www.moritz.de MORITZ 2017-02 7


MORITZ_TB_022017
To see the actual publication please follow the link above